Kapitel 229: Aktuelles türkisches Kino

Auf den 33. Türkischen Filmtagen München im März/April dieses Jahres hatte ich Gelegenheit (ein Dankeschön noch einmal an Esra Sahin, die mich auf ihre eigene Initiative hin mit Der Filmbetrachter akkreditiert hat), fünf exzellente neue türkische Spielfilme plus einen Dokumentarfilm zu sehen.

Über den Dokumentarfilm will ich nicht viele Worte verlieren, einfach, weil mir die Worte fehlen. Ich wusste, dass Menschen grausam sein können, aber dieses Ausmaß an individueller Grausamkeit, das Ehemänner ihren Ehefrauen zuteilwerden lassen können, war für mich unvorstellbar, obwohl ich sogar selbst mit häuslicher Gewalt aufgewachsen bin. Wir in Deutschland sollten nicht so tun, als sei dies ein spezifisch türkisches Problem, bei uns gibt es auch rund einhundert Femizide pro Jahr, erst Ende April ereignete sich die besonders brutale Ermordung einer sechsfachen Mutter hier in Berlin auf offener Straße, die Justiz hat hierfür den makabren Begriff „Trennungstötung“ etabliert. In der Türkei liegen die Fallzahlen allerdings noch deutlich höher, bei über vierhundert ermordeten Frauen pro Jahr. DYING TO DIVORCE (2021) von Chloe Fairweather ist ein wichtiger, ein aufrüttelnder Film – er kann einem wegen seiner Schonungslosigkeit aber auch lebenslange Albträume bescheren, das will ich nicht verschweigen, sozusagen als Trigger-Warnung. Da es sich bei ihm um eine Arte-Koproduktion handelt, wird er demnächst wahrscheinlich auf Arte laufen, und ich würde dabei anregen, dass dieser Film einen eigenen Warnhinweis erhält, um ihn von Horrorfilmen abzugrenzen. Anstatt des üblichen „Dieses Programm ist nicht geeignet für Kinder, Jugendliche oder empfindsame Zuschauer“ würde ich vorschlagen: „Dieser Film zeigt Auswirkungen physischer und psychischer Gewalt, die für empfindsame Zuschauer verstörend und empörend sein können.“


Überhaupt nicht Albtraum erzeugend dagegen die Spielfilme. Das kleine Programm der Türkischen Filmtage ist hervorragend kuratiert, von den neun Filmen fand ich sechs hochinteressant, einer von diesen war aber online nicht verfügbar, also kam ich auf fünf.

CATLAK/FRACTURED (2020) von Regisseur Fikret Reyhan ist ein Film wie ein Dampfkochtopf: Die (An)Spannung steigt ständig. Eine typisch türkische Familiensituation, man sitzt viel zusammen, isst viel, trinkt viel Tee, redet – und streitet sich. Faszinierend fand ich, dass niemand laut wird, erst ganz zum Ende – und dann fallen gleich die ganz harten Worte: Ein Sohn wird verstoßen, und es ist nicht der, der für das momentane Finanzdilemma verantwortlich ist, sondern ein älterer, der vor Jahren einmal Mist baute. Wir lernen hieraus: Familie ist der Ort, an dem nichts vergeben und vergessen wird. Alles wird zwar untern Teppich gekehrt um des lieben Friedens willen, rumort aber dort, um bei irgendeiner Gelegenheit erneut hervor zu platzen und gewaltigen Flurschaden anzurichten.

Das Ensemble ist durch die Bank weg hervorragend, allesamt gestandene Theaterleute, die sich auf eine authentische, uneitle Art und Weise in den Dienst ihrer Figuren stellen, die der aufmerksamkeitsheischenden, fast schon poserhaften Spielweise amerikanischer und auch deutscher Schauspieler einiges voraushat, zumindest in einem so stillen Familiendrama. Einen möchte ich dennoch namentlich herausheben: Hakan Salinmis gelingt es, einen durch und durch unangenehmen Familienpatriarchen zu erzeugen, ohne dabei jemals auf die Pauke zu hauen oder auf eindimensionale Bösewichthaftigkeit zurückzugreifen. Eigentlich ein bulliger, hemdsärmeliger Typ, geht von ihm eine Wehleidigkeit und ständige Selbstaufopferungsgeste aus, die allen Menschen um ihn herum die Lebensfreude aussaugt. Jeder hat natürlich Angst, ihn zu verärgern, aber alle und alles verärgern ihn ständig. Passiv-aggressiv lässt er seine erwachsenen Söhne spüren, dass er sie für Versager hält, ohne jemals auf den Gedanken zu kommen, dass er selbst als Vater vielleicht auch versagt haben könnte, wenn alle seine Söhne Versager sind. Graugesichtig und müde, mit vorzeitigen Rückenleiden schleichen die Söhne umher und reden sich vor allem pausenlos raus. Die Frauen wirken tapfer, aber hoffnungslos. Sie halten sich einzig noch an ererbtem Gold fest. Diese Familie ist ein Trümmerfeld (übersetzt: FRACTURED), schon lange bevor es zum Knall kommt. Und solche Familien gibt es wie Sand am Meer, nicht nur in der Türkei. Das ist virtuos beobachtet und dargestellt und hat mich sehr begeistert. Auch, dass es nicht zu Gewalt kommt, dass das übertriebene Drama ausbleibt, und der letzte Dialog dann wieder nur von Küchengeschirr handelt. Am Ende kommt vielleicht auch wieder alles untern Teppich, und nichts wird dadurch gelöst.

Viel kunstfilmhafter kommt dagegen GOVENDA ALI Û ZÎN/THE DANCE OF ALI AND ZÎN (2021) von Mehmet Ali Konar daher. Die Geschichte ist wuchtig: Ein junger Kurde namens Ali wurde von türkischen Sicherheitskräften getötet, seine Mutter (GOVENDA ALI Û ZÎN/THE DANCE OF ALI AND ZÎN wird von einer Matriarchin beherrscht: Maryam Boubani als Mutter Zîn) beschließt dessen ungeachtet, für den Toten eine makabre Hochzeitsfeier abzuhalten. Ein Affront? Ein Protest? Ein Wahnwitz? Zîn lenkt erst ein, als die türkische Militärverwaltung androht, ihrem anderen Sohn Isa die Knochen brechen zu lassen, wenn sie nicht von dieser Ungeheuerlichkeit ablässt. Doch nun ist es der vorher dem Plan ablehnend gegenüber gestanden habende Isa, der von der Hochzeit nicht mehr ablassen will…

Auch GOVENDA ALI Û ZÎN/THE DANCE OF ALI AND ZIN läuft sehr langsam ab, was aber seine Intensität erhöht. Die Bildgestaltung ist geradezu sensationell, jedes einzelne Bild sieht ausgefeilt und aufgeladen aus. Die Farbe ist überwiegend ein torfiges Rotbraun im ständig irgendwie schwelenden Hinterland, vom Setting her das Highlight war für mich die Szene, in der Isa seine Mutter Zîn auf dem grasbewachsenen Dach der Hütte sitzend findet, unten links das angebundene Pferd, im Hintergrund die Hügel. Ein klick! für meine Sammlung herausragender Standbilder. Wenn Kameramann Deniz Enyüksek nicht bald Richtung Hollywood abgeworben wird, sollte mich das sehr wundern. Ich könnte mir auch vorstellen, dass Tommy Lee Jones, sollte er von diesem Film Wind bekommen, ein Remake drehen wird, verlegt ins mexikanische Hinterland.

GOVENDA ALI Û ZÎN/THE DANCE OF ALI AND ZÎN wimmelt nebenbei erwähnt von Tieren, kommt aber ohne die von mir in Kapitel 195: Die Misere der Filmbranche im 21. Jahrhundert: 2: European Arthouse angeprangerte Tierquälerei aus, die zu viele Arthouse-Filme ruiniert. Obwohl eine Ziege geschlachtet wird. Aber gezeigt wird das nicht. Das Tier kann die Dreharbeiten sogar überlebt haben. Toll das Detail, als Isa geohrfeigt wird, und es sein von ihm sehr geliebtes Pferd ist, das an seiner statt aufwiehert. Das Pferd mag nicht mit ansehen, dass Isa geschlagen wird, mag wahrscheinlich überhaupt keine Gewalt mit ansehen. Tatsächlich werden die Augen dieses Pferdes, sein ruhiger, schöner Pflanzenfresserblick, immer wieder in den Fokus gerückt.

Höhepunkt von GOVENDA ALI Û ZÎN/THE DANCE OF ALI AND ZIN ist, wie die vorher wie verkrampfte Mutter Zîn endlich um ihren toten Sohn Ali weinen kann. Dass ihr Sohn Isa währenddessen tatsächlich von den Gendarmen zusammengeschlagen wird, bekommen wir gar nicht zu sehen. Wir sehen aber, dass er das – bandagiert – übersteht.

Das Schlussbild ist ein Sonnenuntergang in Echtzeit. Hat es das schon einmal in einem Film gegeben?

Die Musik stammt von Xebat Asmi und Toke Brorson Odin, also eine türkisch-dänische Zusammenarbeit, schönes Indiz dafür, dass auch türkische Filme Multikulti sein können.

Vom bäuerlichen Hinterland ging es für mich danach in die Großstadt. Das Spielfilmdebüt HAYALETLER/GHOSTS (2020) der jungen Regisseurin Azra Deniz Okyay beginnt mit einem Antäuschen: Istanbul wird von einem gigantischen Stromausfall heimgesucht, man erwartet also ein apokalyptisches Szenario, Plünderungen und Chaos wie in der Film- und Fernsehreihe THE PURGE (seit 2013), aber darum scheint es Okyay zunächst erst einmal gar nicht zu gehen. Sie erzählt ganz viele miteinander verwickelte Einzelschicksale, quasi in der Tradition Robert Altmans. Dabei geht sie sogar unchronologisch vor und sorgt immer wieder für „Aha, hier gehört diese Szene also hin!“-Momente. Der Filmtitel zum Beispiel erscheint zwanzig Minuten vorm Ende, wenn wir wieder bei der Anfangsszene angekommen sind. Das ist ein sehr intelligenter Umgang mit dem Medium Film. Und dann gibt es doch noch das apokalyptische Szenario, in der letzten Viertelstunde, in beeindruckenden, von Bengalfeuern und Polizeiblaulichtern leuchtenden Bildern. Auch vorher schon herrscht eine allgemeine Atmosphäre der Ruppigkeit, des Gegeneinanders anstatt Miteinanders, alle Nachbarn scheinen einander stets nur zu beargwöhnen und anzuzeigen. Es geht auch darum, dass ein skrupelloser Türke syrische Flüchtlinge ausbeutet. Virtuos die Szene, in der durch ein Wenden des Wagens nach den ganzen maroden Gebäuden, die der Skrupellose systematisch zum Einsturz bringt (und in denen er verschüttet wird, nachdem er dort das Gemälde „Sisyphus“ von Tizian erblickt hat), plötzlich die „neue Türkei“ ins Bild kommt: ein riesiges Neubauprojekt, wie ein Ungeheuer-Koloss, untermalt von einem bedrohlichen Baugeräusch.

In HAYALETLER/GHOSTS gibt es eine ganz junge Schauspielerin zu entdecken: Dilayda Günes, Jahrgang 1998, gibt ihrer Dilem in diesem ihrem bislang einzigen (!) Film Stolz und Verletzlichkeit in faszinierendem Mischungsverhältnis. Ihre Reaktion, als man ihr sagt, ihr Freund würde sie betrügen, ist herzzerreißend: Es sieht aus, als würden ihre Lippen instinktiv einen traurigen Kuss bilden wollen, der dann aber als Schmollmund verkümmert. Auch ihre Tanzszene am Ende hat Klasse. Ebenfalls aufgefallen ist mir Beril Kayar, aus einem etwas simpler klingenden Grund: Ich habe selten so schöne Augen gesehen wie ihre. Von solchen Augen direkt angeschaut zu werden, muss sich anfühlen, als sei man jäh in den Mittelpunkt des Universums gerückt. Für den Filmbetrachter sind schöne Frauen ein essenzieller Bestandteil der Filmgeschichte, viele Filme scheinen überhaupt nur zu existieren, um die Schönheit von Frauen zu feiern, und das ist ein vollauf gültiger und wertiger Daseinsgrund. HAYALETLER/GHOSTS hat eine ganze Menge mehr zu bieten, das aber noch zusätzlich.

Danach blieb ich einfach in Istanbul. KAFES/THE CAGE (2021) von Cemil Ağacıkoğlu. KAFES/THE CAGE zeigt nicht die jungen, schönen Menschen von HAYALETLER/GHOSTS, sondern das runtergerockte Istanbul. Als hätte Bukowski das Drehbuch geschrieben. Sogar die Huren sind ältlich und haben Rücken wegen ihres Übergewichts. Es dauert aber nur wenige Minuten, bis man von dieser Welt eingesogen wurde. Die Bilder sind überwiegend grau, ab und zu stehen nur zwei Silhouetten in einem Tunnel, der Rest des Bildkaders ist lichtleer. Tarhan Karagöz gibt eine unbequeme Hauptfigur, einen Ex-Bullen, der sich im Rotlichtviertel als Hotelier einer billigen Absteige durchschlägt (der titelgebende Käfig ist seine winzige Portiersloge, aber auch seine schuldenbedrängten Lebensumstände), rührend in seiner wortlosen Ablehnung, wenn man ihm einen krummen Deal anbietet, aber auch cholerisch-machohaft im Umgang mit seiner Schwester. Er hat sich in den Kopf gesetzt, sich vor aller Welt zu rehabilitieren, indem er einen besonders fiesen Verbrecherchef, genannt „The Butcher“, aus dem Verkehr zieht. Aber dieser Fisch scheint viel zu dick für ihn zu sein. Grandios an der Hauptfigur finde ich, dass er sich mehrmals immer noch als Polizist bezeichnet. Man schämt sich dann für ihn, weil ihn das zum Hochstapler degradiert, und dennoch macht dieses Verhalten diese Figur unglaublich dreidimensional: Er wird es nie verwinden, diesen Status eingebüßt zu haben. In seinem Kopf hat er ihn nach wie vor verdient.

KAFES/THE CAGE ist ein durchaus klassisch zu nennender Film Noir mit einem bitteren, fast schon surrealistischen Ende, in diesem Ansatz stärker und sicherer als manche amerikanischen Filme, die „Noir“ mit einer Oberflächenästhetik verwechseln. (Vergleiche meine drei SIN CITY-Kapitel unter Kategorien: Trilogien.) Auch hier sehe ich ein Remake förmlich vor mir, ein französisches, mit einem alten Haudegen wie Jean-Hugues Anglade in der Hauptrolle, aber ich bezweifele, dass sogar ein Anglade den stellenweise wie zahnlos fertig wirkenden Tarhan Karagöz würde toppen können. Ein Star würde nur mehr Star-Eitelkeit mit einbringen.

Meine Lieblingsszene in KAFES/THE CAGE ist die mit dem Scheibenwischer. Die Kamera ist im Inneren eines Autos und filmt nach vorne durch die Windschutzscheibe. An der Motorhaube steht unser „Held“ und wartet im Nieselregen, während der Scheibenwischer auf „langsam“ gestellt ist und der ansonsten ereignisarmen Szene einen Rhythmus verleiht wie ein sehr träges Metronom. Hier habe ich das Gefühl, es mit einem Meisterregisseur zu tun zu haben, deutsche Filmemacher kommen auf so etwas gar nicht erst, ich glaube, man braucht dafür ein anderes Rhythmusgespür, als es in unserem Schunkel-Schlager-Kuschelrock-Land vorhanden ist.

Interessant finde ich auch die sich überschneidenden Themen: Stromausfall und Drogenpaketdienste finden sowohl in KAFES/THE CAGE als auch in HAYALETLER/GHOSTS statt. Auch, dass Menschen Freunde im Auto abholen, um sie wie Taxifahrer durch die Gegend zu fahren und dabei zu plaudern. In Deutschland ist das Auto ein Panzer gegen alle anderen, in Istanbul ist das Auto ein geschützter Raum der Begegnung. Vielleicht kann man dort auch unbelauscht gegen die Regierung wettern. Vielleicht gehört das alles zu Istanbul wie zu Berlin Menschen, die andere Menschen vor die U-Bahn stoßen.

Zuletzt KORIDOR/CORRIDOR (2021) von Erkan Tahhuşoğlu. Eine stille Studie über zwei alte Schwestern, die sich ständig beharken, aber dennoch nicht nur zusammenleben, sondern sogar im selben Bettchen schlafen, wie als Kinder. Diese Beziehung, diese auch Liebe fühlt sich ein bisschen wie eine Schlingpflanze an, die einem den Atem abschnürt. Und dennoch fürchtet man die ganze Zeit, eine der beiden würde sterben und die andere dadurch alleine lassen.

KORIDOR/CORRIDOR hat anfangs ein bisschen das Problem, dass die beiden Hauptdarstellerin mit ihren Weißhaarmähnen verkleidet wirken. Sie sehen nicht verhärmt aus, sondern eher wie Filmstars. Ayşe Demirel ist auch tatsächlich erst 67, Emel Göksu aber dann doch schon erstaunliche 77 Jahre alt, das hätte ich nicht gedacht, sie ist nach allen Maßstäben eine schöne Frau. Beide machen jedoch diese Anfangsirritation schnell zunichte durch eindringliches, aber nie aufdringliches Spiel.

Nun kann jeder einen stillen Film über zwei alte Frauen drehen, könnte man meinen. Aber was KORIDOR/CORRIDOR auszeichnet, sind seine magischen Momente. Plötzlich wird KORIDOR/CORRIDOR zum Geisterfilm, denn in der Wohnung der beiden Frauen taucht eine dritte alte Frau auf, die aber von niemandem außer uns wahrgenommen wird. Wer ist das? Der Geist der Mutter? Oder, wie ich eher vermute: der Tod höchstselbst? Originell auch die Szene, in der (im Traum einer auf dem Sofa Dösenden) plötzlich Wasser die Wände herunterläuft. Denn um „undicht“ geht es die ganze Zeit: Das Bad der beiden nässt in die Wohnung darunter, und eine der Schwestern ist inkontinent. Dazu passen dann auch die tropfnasse Wäsche und der Starkregen draußen. Stark auch die fast unheimlichen Silhouettenbilder, in denen die Frauen mit ihren weißen Köpfen im Gegenlicht selbst wie desorientierte Harpyien oder Gespenster wirken. Gespenster schon zu Lebzeiten.

Erst zehn Minuten vor Ende taucht in diesem Film zum ersten Mal ein Mann auf. Auch er aber nur ein Gespenst, wahrscheinlich das des Vaters. Man darf hier mutmaßen, KORIDOR/CORRIDOR erklärt nichts zu Tode, arbeitet eher wie Lyrik.

Und wieder ein Stromausfall, gemeinsames Thema von dreien dieser fünf Filme. Sind Stromausfälle in der Türkei so allgegenwärtig?

Toll, wie der Geist des Vaters seiner greisen Tochter im Dunkeln eine Lampe reicht.

Aber auch mit Strom wird alles immer dunkler, wie ein langsames Nachlassen des Augenlichts.

Im sehr schönen Schlussbild schlafen die beiden Schwestern, sie sind nicht gestorben, und ihre Körper bilden einander zugewandt beinahe ein Herz, innig wie zwei Zwillingsschwestern im Mutterleib.

In seiner räumlichen Beschränkung und Überschaubarkeit ist dieser Korridor (Lauflänge nur 75 Minuten) äußerst aufgeladen mit filmischer Gestaltungskraft.


Ich habe den Eindruck gewonnen, die Türkei ist als Filmnation im Kommen. Vielleicht auch gerade in der schwierigen Situation mit einem äußerst repressiven Staatsoberhaupt suchen sich die kreativen Köpfe Auswege, um Dampf aus dem Dampfkochtopf ablassen zu können. Wie sagt man doch? Unter Druck entstehen Diamanten.