Hitchcocks unter anderem in München (und Italien, wo es sehr abenteuerlich wurde, wie Hitchcock erzählt in Truffauts Buch „Wie haben sie das gemacht, Mister Hitchcock?“) gedrehtes Debüt beginnt furios: Die unterschiedlichen Reaktionen der Theaterbesucher sind wunderbar karikaturesk eingefangen, der erste Hitchcocksche Spezialeffekt lässt auch nicht lange auf sich warten: Aus der Unschärfe eines Kurzsichtigen werden durch ein Fernglas in den Fokus gerückte „scharfe“ Beine. Die dargebotenen Tänze sehen etwas läppisch aus, aber Stummfilme im Musikmilieu haben in dieser Hinsicht ohnehin ein Manko.
Der Film wird nach dem dynamischen Beginn sehr melodramatisch und in seiner Vorhersagbarkeit etwas zäh, wobei ich die Wandlung der anfangs sehr garboesken Patsy zur naiven, aufopferungsvollen Unschuld sogar etwas unglaubhaft finde.
Toll jedoch, wie Hitchcock subtil dafür sorgt, dass man ihren Verehrer Levet (dessen Name bei Truffaut ständig falsch geschrieben wird, wie Truffaut auch in der Inhaltsangabe den Mord an der Eingeborenen „verschweigt“) nicht leiden kann. Bei den ersten beiden Kuss-Szenen der zwei wird jeweils der kläffende Hund dazwischengeschnitten, sodass man die Assoziation nicht loswerden kann, Levets Schnauzbart schmeckt nach Hundefell. Und etwas später steht Patsy verloren in einer Gasse, Levet schleicht sich von hinten an sie heran, und spricht sie nicht etwa an, sondern berührt sie fast wie ein Würger an den Schultern, sodass er ihr natürlich einen Heidenschrecken einjagt, den ein umsichtiger Mann leicht hätte vermeiden können.
Im letzten Drittel gibt es einen der eigenartigsten Morde der Filmgeschichte zu bewundern. Die eingeborene, verstoßene Geliebte Levets will nicht mehr leben, sie geht dramatisch ins Wasser, Levet schwimmt ihr hinterher, sie denkt, er will sie retten, aber er ertränkt sie. Das wäre gar nicht mehr nötig gewesen, es ist, als würde man jemanden, der bereits in einen Abgrund stürzt, während des Fallens noch erschießen.
An diesen – im wahrsten Sinne des Wortes – überflüssigen Mord schließt sich Hitchcocks meines Wissens einzige Geisterszene an, durchaus schaurig aufgrund der traurigen Augen der Toten. Die Sequenz danach, in der der rasende Levet mit einem Säbel in der Hand der hilflosen Patsy in ein schmales Gelass nachsteigt, um sie zu töten, ist für die damaligen Zuschauer sicherlich nicht einfach zu ertragen gewesen. Auch wie Levet erschossen wird, ist sehr ungewöhnlich: Der Schuss scheint ihn erst von seinem Wahnsinn zu kurieren, dann erst bemerkt er das Blut aus seinem Körper, bricht zusammen und stirbt. Hier geht Hitchcock schon sehr weit.
Darüberhinaus ist THE PLEASURE GARDEN auffallend sexy. Die beiden hübschen Mädchen, die sich ein Zimmer teilen, entkleiden sich ausführlichst, dauernd werden irgendwelche Strümpfe und Strumpfbänder thematisiert, die Eingeborenengeliebte ist ein sinnlicher Wonneproppen, und selbst die mütterliche Haushälterin hat einen nicht gerade alltäglich voluminösen Busen.
Mord, Morddrohungen, Umnachtung, irregeleitete Liebe und reichlich weibliche Schauwerte im Tänzerinnenmilieu und anderswo – Debütant Hitchcock bietet viel in einer einzigen Stunde, und nährt Hoffnung auf weitere frivole Unterhaltsamkeiten.